Reaktiver Therapiebegleithund

 

Ich setze meine Irish Terrier seit nun mehr über 25 Jahren in der psychotherapeutischen Arbeit mit schwerst traumatisierten Patienten ein. In der Regel geht es hier um Opfer von unterschiedlichsten Gewaltverbrechen, Folter und Früh- und Kriegstraumatisierungen. Unabhängig von der Art der Traumatisierung ist für den geneigten Leser hier der Punkt wichtig, dass all diese Vorfälle durch Menschen (mit-) verursacht sind und bei dieser Patientengruppe daher oftmals eine hohe Überwindung nötig ist, das Erlebte in der Therapie nun mit einem Menschen zu bearbeiten. Diese „Vorbehalte“ seitens der Patienten sind nicht willentlich steuerbar.

An genau dieser Stelle kommt daher der Hund zum Einsatz. Rein von außen betrachtet hat der Hund hier eine vermeintlich einfache Aufgabe: er „döst“ im Behandlungsraum vor sich hin, steht hin und wieder vermeintlich eigenständig auf, nähert sich auf unterschiedlichste Art dem Patienten und verweilt dort eine gewisse Zeit und begibt sich dann wieder an einen vorgesehen Platz und fällt zurück in den „Dös-Modus“.

Bei genauerer Betrachtung ist das ganze jedoch etwas komplexer: der Hund darf nicht selbständig in die Therapie eingreifen! Jeder Hundehalter kennt hier sicherlich die Situation, in der eine dem Hund gut bekannte Person weint und der Hund diese nun direkt zu „trösten“ versucht. Welche Mechanismen diesem Hundeverhalten zugrunde liegen, würde hier den Rahmen sprengen, nur beim Therapiehund darf genau das nicht passieren. Stattdessen muss der Hund auf sehr dezente Art „nachfragen“, ob sein Einsatz nun erforderlich ist und hier ebenso auf minimale Hinweisreize seitens des Therapeuten diese Frage als mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet zur Kenntnis nehmen, der Therapieverlauf darf dadurch nicht gestört werden.

Wird die Frage mit einem „Ja“ beantwortet, darf bzw. soll der Hund Kontakt zum Patienten aufnehmen, dies jedoch ausschließlich in einer dem Therapiegeschehen und dem jeweiligen Patienten angemessenen Weise, d.h. der Hund darf weder an der falschen Stelle zu „übergriffig“ werden (z.B. „den Clown spielen“), noch an anderer Stelle zu „tröstend“ und den Patienten so in einem aktuell negativem emotionalen Geschehen verstärken.

Ferner muss der Hund jederzeit über wiederum minimale Hinweise in seinem Tun gestoppt werden können, sich dann wieder dezent zurückziehen, auch wenn er aus Hundesicht seinen Job nicht erfolgreich beenden konnte ( = dem Patienten geht es wieder gut, er ist stabilisiert).

Ich habe schon verschiedenen Hunderassen in diesem Bereich arbeiten sehen und auch selbst ausgebildet, aber keine arbeitet hier so präzise wie der Irish Terrier!

Die Voraussetzung ist allerdings nicht nur ein sehr guter Grundgehorsam, sondern ebenso ein deutlicher Schwerpunkt in der Ausbildung auf das soziale Lernen. So gesehen ist der Irish hier vor allem durch seine sehr gute Beobachtung und Wahrnehmung der Stimmungen eines Menschen prädestiniert; auch, wenn dies andere Hunderassen selbstverständlich auch sehr gut können, ist der Irish hier deutlich präziser und darüber hinaus wesentlich differenzierter in seinen Reaktionen: reagiert beispielsweise ein Labrador auf unterschiedlichste (negative) Stimmung des Menschen oftmals mit fast immer gleichem „Beschwichtigen“, weiß ein Irish nahezu von sich aus, wann der Zeitpunkt ist, den Patienten mit angemessenen Spielaufforderungen oder anderweitig clowneskem Verhalten aufzumuntern, nach dem Motto: „Das Schlimmste hast du überstanden, das wird schon wieder!“ oder aber auch einfach still und zugewandt beim Patienten zu verharren, sich „stützend“ (wörtlich und übertragen) anzulehnen und dem Patienten so unmissverständlich zu signalisieren „Ich bin da.“ Insbesondere hier zeigt der Irish Terrier eine unvergleichliche Ausdauer. Hinzu kommt hier ein Nebenaspekt, der logischerweise nicht in dem Sinne planbar ist: das Aussehen des Irish Terriers! Ist dies für viele Besitzer selbstverständlich, hat es bei Patienten, die in der Regel die Rasse nicht kennen, etwas ungemein positives, denn selbst wenn der Irish „tröstet“ hat er dabei niemals einen „depressiven Ausdruck“, sondern immer dieses Funkeln, was viele Patienten als sehr lebendig erleben und oftmals das ist, was den Patienten selbst in diesen Augenblicken abhanden gekommen ist. Eine meiner Patientinnen hat dies in einem sehr schönen Satz bei Abschluss der Therapie vor vielen Jahren so beschrieben: „Immer, wenn ich in die Augen Ihres Hundes geschaut habe, wurde ich daran erinnert, wie Leben eigentlich sein soll!“ Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen!

 

Was hier jedoch ebenso auf jeden Fall erwähnt werden muss: auch wenn die Arbeit des Hundes hier von außen lapidar erscheint, ist die Belastung (sozial und emotional!!) für den Hund keinesfalls zu unterschätzen. Der Therapiebegleithund befindet sich hier quasi ständig im „Stand-by-Modus“ und auch die Fähigkeit des Irish, vom Stand-by direkt in den Arbeits-Modus um zu schalten (und in kurzer Zeit auch mehrfach wieder zurück), ist anstrengend. Daher ist hier sehr penibel darauf zu achten, dass der Hund nicht überlastet wird, er ausreichende Erholungspausen hat, aber genauso ausgelassenen Spielpausen eingebaut werden müssen, in denen er Dampf ablassen kann – als Ausgleich für die Selbstbeherrschung.